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KOZ Innenraum

Zweite Deutsch-Israelische Studierendenkonferenz

12.10.2022

Am 29. & 30.10.2022 findet an der Universität Frankfurt die zweite Deutsch-Israelische Studierendenkonferenz statt. Wie es dazu kam und wieso wir eine deutsch-israelische Studierendenkonferenz brauchen.

Ein Gastbeitrag von Luise Henckel und Ronja Hesse

 

09.06.1969, Frankfurt am Main: Der Erste Botschafter Israels in der BRD, Asher Ben-Natan besucht auf Einladung des Bundesverbands Jüdischer Studenten in Deutschland (BJSD) die Goethe Universität im Rahmen der „Woche für den Frieden im Nahen Osten“. Vor etwa 1000 Zuhörer:innen sitzt Ben-Natan am Pult des Frankfurter Hörsaals VI, zu Wort kommt er jedoch nicht. Studierende des Sozialistischen Studentenbunds (SDS) unter der Leitung ihres Bundesvorsitzenden Karl Dietrich Wolff pfeifen, klatschen und rufen, um den Botschafter am Sprechen zu hindern. Es kommt zu chaotischen Szenen, Ben-Natan wird als Faschist beschimpft, bis er schließlich, umringt von jüdischen Studierenden aus dem Hörsaal eskortiert werden muss.[1] 

In diesem Ereignis kam - nur vier Jahre nach der offiziellen Aufnahme von diplomatischen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und Israel - eine Entwicklung zum Ausdruck, die spätestens seit dem Sechs-Tage-Krieg 1967, in dem sich der junge jüdische Staat erneut erfolgreich gegen den Versuch seiner Vernichtung zu Wehr setzte, innerhalb der deutschen Linken virulent wurde. Gab es zuvor noch ein zaghaftes Bewusstsein darüber, dass der “von Deutschen praktizierte Nationalismus [..] die Legitimität des jüdischen Nationalismus [erwies]”[2], hatte sich diese Erkenntnisse vor dem Hintergrund des Beifalls “ehemaliger” Nazis für den israelischen Sieg in sein Gegenteil verkehrt. Dieses Umschwenken einer pro-israelischen in eine krass anti-israelische Positionierung,  sollte die (universitäte) Linke noch lange begleiten. Hierdurch wird insbesondere deutlich, dass der antiisraelische und antisemitische Aktivismus keine Entwicklung der letzten 10-15 Jahre darstellt und nicht, wie manchmal vertreten, nur durch den Vorstoß postkolonialer Theoriezweige oder durch die Pluralisierungsbewegung einer postmigrantischen Gesellschaft zu erklären ist.

Aber auch ein Blick auf die deutsche Gesellschaft insgesamt zeigt, wie sehr sich das Bild von Israel in Deutschland von der israelischen Wahrnehmung des deutschen Staates unterscheidet. So haben israelische Bürger:innen ein deutlich besseres Bild von Deutschland als Deutsche von Israel (63 % der befragten Israelis geben an eine gute Meinung, 19 % eine schlechte Meinung von Deutschland zu haben; Im Kontrast dazu haben nur 46 % der befragten Deutschen eine gute und 34 % eine schlechte Meinung von Israel[3]). Die unliebsame, bisweilen verdrängte Erinnerung an die familiäre Verstrtickung in die von den Deutschen betriebene Entrechtung, Verfolgung und Ermordung von Jüdinnen:Juden mag bei solchen Zahlen ebenso eine Rolle spielen, wie die zum Teil sehr einseitige deutsche Berichterstattung über den Nahostkonflikt.

Dabei wird bei gegenseitigen Staatsbesuchen deutscher und israelischer Regierungsvertreter:innen gerade von deutscher Seite immer wieder die ‘besondere’ Verantwortung und Bedeutsamkeit betont, die das Deutsch-Israelischen Verhältnis prägen würden. Diese Formulierung hat sich zur beliebten Formel entwickelt, die deutsche Schuld am Holocaust und damit auch die Notwendigkeit des Zionismus anklingen zu lassen, ohne zu direkt auf diese Themenkomplexe Bezug nehmen zu müssen. Dahinter verschwindet regelmäßig die tatsächliche Bedeutsamkeit deutsch-israelischer Freundschaft: Die unwahrscheinliche Entwicklung des nationalsozialistischen Mordkollektivs zu einem soweit demokratischen Staat, dass eine zivilgesellschaftliche Beziehung zu dem von vielen historischen Hindernissen bedrohten jüdischen Staat aufgenommen werden konnte. Dies ist tatsächlich mehr als nur besonders.

Gegen den Boykott! Die Erste Deutsch-Israelische Studierendenkonferenz

Antizionismus und seine antisemitischen Begleiterscheinungen waren also in der bundesrepublikanischen Vergangenheit durchaus universitäre und gesellschaftliche Normalität. Eine Normalität, mit der es sich auseinanderzusetzen, die es zu kritisieren und reflektieren gilt und die kontinuierlich weiter aufgebrochen gehört. Die Ereignisse von 1969 motivierten deshalb 50 Jahre später ein breites Bündnis Studierender aus dem Bundesgebiet dazu – über bloße Formeln hinaus – ein deutliches Zeichen gegen Antisemitismus und für die deutsch-israelische Freundschaft zu setzen, indem sie 2019 die erste Deutsch-Israelische Studierendenkonferenz veranstalteten.

Neben politischer Bildung und internationalen Austausch wurde hierbei mit einer hochschulgruppenübergreifend unterstützten Resolution ein klares Zeichen gegen israelbezogenen Antisemitismus gesetzt. RCDS, die Juso HSGen, die LHG und Campus Grüne bekannten sich gemeinsam zum bedingungslosen Existenzrecht Israels und unterstützen die IHRA Definition[4]; eine Position, die sich wenig später auch die Hochschulrektorenkonferenz zu eigen machte.[5]

Kooperation und Austausch fördern. Die zweite Deutsch-Israelische Studierendenkonferenz

Die diesjährige Konferenz knüpft einerseits hieran an, geht jedoch über die bloße Ablehnung antisemitischer Boykotte hinaus, und  legt ihren Fokus explizit auf den Ausbau und die Förderung von akademischem Austausch und Kooperation als Säule der deutsch-israelischen Beziehungen. Nicht nur bietet die Universität die Chance auf eine umfassendere wissenschaftliche Beschäftigung mit Antisemitismus, Zionismus und gegenwärtigen geopolitischen Herausforderungen, sondern auch viele Möglichkeiten für von politischem und wissenschaftlichem Austausch zwischen Deutschland und Israel. Insbesondere von Israels innovativer Tech- und Gründerszene, aber auch in historischen und kulturwissenschaftlichen Fragen zum Umgang mit Religiosität, Tradition und Erinnern kann Deutschland viel von Israel lernen. Gemeinsam mit einer Delegation von 50 israelischen Studierenden möchten wir daher entlang fünf verschiedener inhaltlicher Vertiefungen[6] Vorträge und Workshops besuchen, miteinander diskutieren und vernetzen. Deutschen und Israelischen Studierenden soll dabei auch die Möglichkeit gegeben werden, sich über Herausforderungen in ihrem Alltag als Studierende (Wohnraumknappheit, Arbeitsmarkt, politische Mitgestaltung) auszutauschen. Neben bekannten Referent:innen wie Hillel Neuer (Direktor von UN Watch), Olga Deutsch (Vizepräsidentin von NGO Watch) und Orna Donath (Autorin von Regretting Motherhood) sprechen Aktivist:innen und Nachwuchwissenschaftler:innen aus Deutschland und Israel.

Die Deutsch Israelische Studierendenkonferenz (DISK) 2022 wird einen Versuch darstellen, die Besonderheit deutsch-israelischer Freundschaft und die Bedeutung des Kampfes gegen den allgegenwärtigen Antisemitismus abseits politischer Phrasen mit Leben zu füllen. Die Vertiefung dieser Freundschaft muss nicht nur einen unbedingten Teil der demokratischen Selbstverständigung der Bundesrepublik darstellen, sondern auch einen wichtigen Ausgangspunkt für den Umgang mit der Vergangenheit und besonders auch mit der politischen Gegenwart.

 

Die Zweite Deutsch-Israelische Studierendenkonferenz findet am 29. und 30. Oktober 2022 auf dem IG Farben Campus der Goethe-Universität im Frankfurter Westend statt. Konferenzsprache ist englisch. Anmeldung und weitere Informationen finden sich hier.

Organisiert von: freier zusammenschluss von student*innenschaften, Junges Forum der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Jüdische Studierendeniunion Deutschland, Verband Jüdischer Studierender Hessen, National Union of Israeli Students, AStA Universität Frankfurt

 

[1] https://www.studentenbewegung-frankfurt.de/09-06-1969-kampf…

[2] Erklärung der Deutsch-Israelischen Studiengruppe in der Publikation DISkussion, Heft 14, Mai 1964. Zitiert nach Dr. Michael Jenne (2016): “DIS kam vor DIG”. In: DIG-Magazin, Heft Nr. 4

[3] Bertelsmann Stiftung (Hrsg) (2022): Deutschland und Israel heute

[4] https://www.germanisraelistudconf.com/wp-content/uploads/2022/08/2019_DISK-Resolution_GER-1-1.pdf

[5] https://www.hrk.de/positionen/beschluss/detail/kein-platz-fuer-antisemitismus/

[6] Die Teilnehmer:innen können sich zwischen den Strängen Innovation & Sustainability, Antisemitism, Higher Education, International Politics und Social Justice entscheiden.