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Call for Papers: AStA-Zeitung 3/2025 »No Limits«

13.04.2025

„no limit“, hieß es auf der Pressekonferenz von Union und Sozialdemokratie, als sie verkündeten, dass es zukünftig keine grundgesetzliche Begrenzung von sogenannten Verteidigungsausgaben geben soll. Die Schuldenbremse gilt für sie fortan nicht mehr. Wer unter den bleiernen Merkel-Jahren großgeworden ist, musste sich angesichts der 500 Milliarden für Infrastrukturen und der klimaneutralen Transformation zudem zweimal die Augen reiben. Jahrelang wurde von der herrschenden Politik gebetsmühlenartig das Mantra wiederholt, dass nur das ausgegeben werden könne, was eingenommen wurde. Alles passé. Auch die Wehrpflicht soll perspektivisch wieder eingeführt werden. Da sind sich die Parteien der sogenannten Mitte mehr oder minder einig. 

Die EU zog kurze Zeit später nach: Die Schuldenregelung soll in Bezug auf Ausgaben für Militär gelockert werden und bis zu 800 Milliarden Euro mobilisieren. Europa müsse sich gegen Aggressoren verteidigen können, müsse selbst Verantwortung in einer unsicherer werdenden multipolaren Weltordnung übernehmen. Die Friedensdividende sei vorbei. Gerade an Deutschland, Europas „wirtschaftlicher Motor“, wird appelliert, militärisch zur Führungsmacht zu werden. 

Dabei besteht kein Zweifel daran, dass Europa seit dem Angriff von Russland auf die Ukraine und mit der Umorientierung in der US-amerikanischen Außenpolitik unter Trump vor der Frage steht, wie den Macht- und Gebietsansprüchen (autoritärer) internationaler Großmächte Grenzen gesetzt werden können, um Frieden zu sichern. Deshalb plädierte der bundesrepublikanische Staatsphilosoph, Jürgen Habermas, jüngst in einem seiner berüchtigten Zeitungsgastbeiträge, dass „Mitgliedsländer der Europäischen Union (…) ihre militärischen Kräfte stärken und bündeln“ müssen. Auch die üblichen Talkshow-Politolog*innen begründen die Militarisierung mit dem Verweis auf ebenjenem „Epochenbruch“, setzen diesem aber kein Limit.

Das Kettengesägte und die Tech-Elite

Das „no limit“ erscheint jedoch nicht nur in Form von Militarisierung. Die regelbasierte Weltordnung, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs etabliert wurde und mit dem Ende des realexistierenden Sozialismus das Ende der Geschichte darstellen sollte, bröckelt an allen Enden. Der zentrale Hegemon dieser Weltordnung verabschiedet sich aus der internationalen Nothilfe und der Weltgesundheitsorganisation, zettelt Handelskriege an und beschimpft Staatschefs von bisher verbündeten Staaten als Diktatoren. Im Zerfall der alten Ordnungsideen scheinen vorerst keine Grenzen gesetzt. Entgegen jeglichen rechtsstaatlichen Errungenschaften soll es – ähnlich wie in den USA – bald auch an den Grenzen der Bundesrepublik Zurückweisungen geben; zumindest, wenn es nach dem Kanzler in spe geht. 

Wie es Javier Milei in Argentinien vormacht, wird auch in den USA die Kettensäge an staatliche Institutionen und Behörden gelegt, die letzten Reste des Wohlfahrtsstaat plattgemacht, Professor*innen zu Feinden erklärt und Universitäten und Forscher*innen Gelder entzogen. Nicht mal vor der Krebs-Forschung wird Halt gemacht. Was nicht fest ist, kommt ab – und in der bröckelnden Weltordnung scheint es kaum Halt zu geben. 

Für die Oligarchen des Silicon Valley – Musk, Zuckerberg oder wie sie allen heißen – gelten Beschränkungen schon lange nicht mehr. Jeder bastelt an seinem eigenen Raumfahrtprogramm, (ver-)kauft Grundstücke in neuen, digitalen Welten zu Mondpreisen und nun greifen sie auch noch direkt zur politischen Macht. The sky ist eben doch nicht the limit. Auch wenn die repräsentative Demokratie zerfällt, am Ende zählt der unbegrenzte Profit, zu dessen Entgrenzung sich die Tech-Elite schließlich auch dem Trumpismus angeschlossen hat.

Eine Fliege, die sich verbrennt

Diese globalen und nationalen Entwicklungen der Weltunordnung werden – wenn sie es nicht sowieso schon haben – Einfluss auch auf unser, studentisches Alltagsleben an der Frankfurter Universität haben. Während vielleicht die ersten Studierende bereits einen Musterungsbrief bekommen, sind etliche Fachbereiche von Kürzungen betroffen und sogenannte Künstliche Intelligenz (KI) schreibt Seminararbeiten in Rekordzeit, auch wenn sie dafür Quellen erfindet. 

So steht „no limit“ emblematisch für die Entgrenzung und den Umbruch in der Weltordnung, im finanzialisierten, vielleicht bald vollständig algorithmisierten Kapitalismus und in der Lebenswelt, der sich gerade abzeichnet und dessen Ausgang ungewiss bleibt. 

„Die Welt ist verrückt, und das bleibt so. Im Grunde kann ich mir vorstellen, daß die ganze Weltgeschichte nichts anderes ist als eine Fliege, die sich verbrennt.“[1]

Was sind die Entgrenzungen, die Ihr erlebt? Welche generellen Beschränkungen sind gerade in Auflösung begriffen – und kann das nur in Regression münden? Was bedeutet das „no limit“, wenn es auch diejenige regelbasierte Ordnung des Wohlfahrtstaates angreift, welche Arbeitnehmer*innenrechten et cetera geschützt hat? Entgrenzung für die einen, impliziert die Limitation der anderen. Gleichsam war das zuvor Begrenzte auch ausgrenzend; kann es also eine emanzipatorische Entgrenzung geben und wo finden wir sie? Was steht auf der Kehrseite der zügellosen „Freiheit“, in dessen Namen das „no limit“ verteidigt wird? Was bedeutet die unbegrenzte Militarisierung für Euch, für die Bundesrepublik oder die Welt? 

Wir freuen uns über Beiträge zur Ökonomie, Militarisierung und neuen Imperialismen, genauso wie über die Ideologie des Silicon-Valley, Digitalisierung und Technopolitik, Kürzungen in der Wissenschaft und der Verwendung von KI-Tools im Studium. Auch freuen wir uns über einfallsreiche Auseinandersetzungen mit dem Thema – Eurer Kreativität sei dabei kein Limit gesetzt. 

Da uns für die neue Ausgabe eine Vielfalt an Textformen wichtig ist, probiert euch gerne an Interviews, Reportagen, Rezensionen oder anderen journalistischen Textgattungen aus. Auch literarische Einsendungen, Bildbesprechungen und Fotostrecken sind uns willkommen. Gerne könnt ihr davor mit uns in Kontakt treten. Einsendungen, die nicht zum Ausgabenthema passen, können in unserer Rubrik „Forum“ aufgenommen werden oder werden separat auf unserer Website veröffentlicht. Egal, welche Textform ihr wählt und zu welchem Thema ihr schreibt, beachtet dabei bitte die Beschränkung auf 10.000 Zeichen.

Bitte schickt eure Beiträge bis zum 1. Juni an: zeitungsredaktion [at] asta-frankfurt.de (zeitungsredaktion[at]asta-frankfurt[dot]de)


 

[1] Horkheimer, Max und Adorno, Theodor W. (1985 [1956]): „Diskussion über Theorie und Praxis“. In: Horkheimer, Max: Gesammelte Schriften, Bd. 19: Nachträge. Frankfurt/M.: Fischer. S. 32-72, hier S. 47.