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Transparent: Kritisches Denken braucht Zeit und Raum

Vortragsreihe: Psychoanalytische Perspektiven auf (weibliche) Sexualität

15.10.2023

02.11.2023 um 18 Uhr, IG-Farben Campus HZ14

Walter hat ein Würstchen, und ich hab ein Portemonnaie. Zum Verhältnis von leiblicher und symbolischer sexueller Differenz (Barbara Rendtorff)

Zwei Kinder betrachten einander – was sehen sie und was fangen sie mit dem Gesehenen an? Das Leibliche ruft die Frage nach Potenz/Potentialität und Grenzen auf, und die Tatsache, dass das Körpergeschlecht verschiedene Formen und Potentialitäten hat, die jedoch Lebensweisen und Begehren nicht determinieren, ist theoretisch schwer zu fassen – Geschlecht ist ‚nicht ganz zu haben‘. Die naturalisierende Geste leitet daraus die Norm der Zweigeschlechtlichkeit ab, in anderen Diskursen wird das Leibliche eher dethematisiert. Beides kann nicht die Antwort sein, um den geschlechtlichen Körper und seine Bedeutungen zu begreifen. Der Vortrag diskutiert die Frage nach möglichen anderen Blickweisen, um den geschlechtlichen Körper und seine Bedeutungen zu begreifen.

 

NACHHOLTERMIN

26.01.2023 um 18 Uhr, IG-Farben Campus HZ 14

Masturbation: Psychoanalytische und sexualwissenschaftliche Perspektiven (Aaron Lahl)

Vor dem Hintergrund des sexualsoziologisch gut dokumentierten Aufstiegs der Masturbation zur "eigenständigen Sexualform" (so unter anderem Gunter Schmidt und Volkmar Sigusch) in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts wird der Vortrag eine psychoanalytische Perspektive auf Autoerotik und Masturbation in ihren psychischen und sozial-kulturellen Dimensionen vorstellen. Unter einem entwicklungspsychologischen Gesichtspunkt gilt es dabei, die Masturbation als Organisator der infantilen Sexualität, die unbewusste Fantasie als Grundgerüst des Begehrens und die Pubertätsonanie als zentrales Konflikt- und Aushandlungsfeld der Sexualität zu umreißen. Wichtige Bezugspunkte bilden hierfür die Theorien Sigmund Freuds, Jean Laplanches, Donald Winnicotts und Moses Laufers. Themen, die vor diesem Hintergrund im Vortrag diskutiert werden, sind die Geschlechterdifferenz im Masturbationsverhalten, psychische Funktionen und Bedeutungen von Pornografie sowie mögliche Lesarten des sexualkulturellen Wandels, der zum Aufstieg der Masturbation führte.

 

24.11.2023 um 18 Uhr, IG-Farben Campus HZ14 (ACHTUNG TERMINÄNDERUNG)

Zirklusion - Genitale Sexualität jenseits von Kastration und Mangel (Ilka Quindeau)

In der Psychoanalyse unterliegt weibliche Sexualität immer noch Relikten der phallischen Logik, die ihr ein binäres Muster von Kastration und Mangel aufzwingt. Dies zeigt sich u.a. darin, dass die Vagina als Pendant zum Penis gilt. Anatomisch ist dies allerdings nicht korrekt: Das zentrale Sexualorgan stellt die Klitoris dar. Von dort aus lässt sich eine eigenständige, unabhängige weibliche Sexualität jenseits von Heteronormativität und Reproduktion konzipieren. Nachdem der von Freud behauptete Objektwechsel in der sexuellen Entwicklung des Mädchens zu Recht kritisiert wurde, erübrigt sich damit auch der Wechsel der sexuellen Leitzone. Dieser Perspektivenwechsel wirft neues Licht auf die genitale Sexualität und die Triebtheorie: Vorgeschlagen wird der Begriff der Zirklusion als Triebmodalität, der die phalluszentrierte Penetration ergänzt.

 

05.12.2023 um 18 Uhr, IG-Farben Campus HZ13

Entsubjektivierung oder Grenzerfahrung? Der weibliche Wunsch nach analer Penetration im Widerspruch zu heteronomen Anforderungen der Selbstverwirklichung (Caroline Sosat)

Das Wissen zur Analsexualität von Frauen ist im Alltagsverständnis durch pornografische Darstellung verzerrt oder überlagert von einem medizinischen oder moralischen Sexualitätsdiskurs. Eine Rolle spielen auch die sexuelle Liberalisierung, in welcher Begehren zunehmend Teil der Identitätsdarstellung ist, sowie geschlechtlich strukturierte Machtverhältnisse. Analsexualität von Frauen scheint also nicht nur körperlich eine spezifisch vulnerable Praktik zu sein. In diesem Kontext geraten individuelle innerpsychische Konflikte und Formen des weiblichen Begehrens nach Analsexualität leicht aus dem Blickfeld.



Die Referentin hat spezifisch für Analsexualität erforscht, wie ein individuelles Begehren bei Frauen ausgehandelt wird. Dabei berücksichtigte sie soziale, physiologische und psychodynamische Gesichtspunkte. Im Vortrag präsentiert sie ausgewählte Aspekte ihrer Arbeit und diskutiert die theoretischen Grundlagen.

 

11.12.2023 um 18 Uhr, IG-Farben Campus HZ14

Mediale Selbst-Stimulation: Exhibierte Griffe in Schritte (Insa Härtel)

Dieser Vortrag interessiert sich für den Griff in den Schritt in Popmusikvideobildern und für die Erregung vor diesen Bildern. Anhand einschlägiger Images aus Mother’s Daughter von Miley Cyrus (2019) wird gezeigt, wie dieserart Gesten im Bild sowohl penetrative Wünsche der Betrachtenden, eine wehrhafte Abweisung solcher ‚Übergriffe‘ als auch ein medial-masturbatorisches Genießen der Bildkörperoberflächen ausstellen. Der Crotch Grab, so eine These, nimmt das Genießen des konsumierenden Publikums medienreflexiv in sich auf.

 

13.12.2023 um 18 Uhr, IG-Farben Campus HZ 14

Über die Frage der Verwaltung hinaus: Psychoanalytische Überlegungen zur Prostitution (Stefanie Schott)

Im Zuge der Liberalisierung von Sexualität und der voranschreitenden Kommodifizierung von Intimität scheint die Forderung, dass Prostitution ein „Job wie jeder andere“ und entstigmatisiert werden solle, so selbstverständlich wie nie. Die öffentliche Rezeption bewegt sich zwischen der Ästhetisierung und Dämonisierung ihrer Adepten. In öffentlich-rechtlichen Dokumentationen berichten Studentinnen davon, wie sie sich mit sporadischen Escort-Dates ihr Studium finanzieren, doch weisen politische Aktivistinnen darauf hin, dass Sexkauf Gewalt an Frauen sei. Diese Debatte spaltet das feministische Lager und gibt Anlass, sich von der Frage der politischen Verwaltung wegzubewegen, um die Motive der Akteure des Systems Prostitution zu sezieren und verstehen zu lernen. Mit einer Melange aus verschiedenen psychoanalytischen Konzepten soll die Spaltung der Hure als willfähriges Opfer oder als schillernde Femme Fatale endgültig aufgehoben werden.

 

15.12.2023 um 18 Uhr, online

Vom Käfig der Geschlechtlichkeit - Perspektiven zu einer Ethik der sexualen différance (Esther Hutfless)

„Ich spreche heute zu Ihnen aus diesem selbst gewählten, umgestalteten Käfig des ‚trans Mannes‘, des ‚nicht-binären Körpers‘. Einige werden sagen, dass auch dies ein politischer Käfig ist: Wie dem auch sei, dieser Käfig ist besser als der von ‚Männern und Frauen‘, da er seinen Status als Käfig anerkennt“, schreibt Paul B. Preciado in “Can the Monster speak?”, ein publizierter Vortrag, der explizit die Pathologisierung von Transpersonen im psychoanalytischen Diskurs problematisiert. Ausgehend von Preciados berechtigter Kritik an pathologisierenden Diskursen in der Psychoanalyse, die sich meist an eine binär gefasste Geschlechterdifferenz rückbinden, möchte ich in meinem Vortrag dieses binäre Denken in Frage stellen. Dabei werde ich auf einen Neologismus zurückgreifen und in Absetzung zu Konzepten wie „Geschlechterdifferenz“ oder „sexueller Differenz“, die letztlich in einer Binarität verhaftet bleiben, von einer Ethik der sexualen différance sprechen, die für mich zum Ausgangspunkt einer queeren, nicht-binären und nicht-normativen Psychoanalyse wird.