Sichtbarkeit: Voraussetzung des Erinnerns. Neue Forschungen zum NS- Mordlager Sobibor
Mitte der 2000er-Jahre widmeten sich zwei Archäologen, Yoram Haimi aus Israel und Wojtek Mazurek aus Polen, einer archäologischen Untersuchung des NS-Vernichtungslagers Sobibor. Ort und Gestalt der nationalsozialistischen Verbrechen von Sobibor wurden von den beteiligten Tätern bereits in ihrer Konzeption auf deren Verschleierung hin ausgewählt. Da das Lager Sobibor nie als Arbeitslager, sondern als bloße Mordstätte angelegt wurde, haben nur wenige Betroffene überlebt, die von den dort verübten Verbrechen berichten konnten. Erst die Arbeit der beiden Archäologen und einige neu erschienene historische Studien machten es möglich, diesem Ort mehr Präsenz in gegenwärtigen Auseinandersetzungen mit der Shoah zu verleihen. Entgegen der Täterintention war es den Archäologen sogar möglich, vermittels aufgelesener Gegenstände die Namen einzelner Ermordeter dem Vergessen zu entreißen — unter anderem durch den Fund des Geburtsamuletts von Karolina Cohn, einem Mädchen aus Frankfurt am Main. Mit Blick auf die Herausforderung für Erinnerungsarbeit, die mit einer zunehmenden historischen Distanz notwendig einhergeht, zeigt dieser Fall, dass die Praxis der Erinnerung immer ein aktives Arbeiten gegen die Intention der NS-Täter beinhalten muss, die Individualität und Lebenswelt der ermordeten Jüdinnen_Juden mit ihnen spurlos verschwinden zu lassen. Anstatt allein danach zu fragen, wie das bisher Erarbeitete erhalten werden kann, muss Er innerungsarbei t deshalb grundsätzl ich als eine nie abzuschl ießende Ak t i v i tät vers tanden werden, in der gesellschaftliches Bewusstsein und historiografische Forschung ineinandergreifen. Mit einer Vortragsreihe sind die Studierenden der
Goethe-Universität und die Stadtöffentlichkeit Frankfurts eingelasich in diesem Sinne am Projekt Erinnerungsarbeit zu beteiligen.
Alle weiteren Informationen dazu in diesem Flyer.