Offener Brief wissenschaftlicher Mitarbeiter:innen der Goethe-Universität
Offener Brief einiger wissenschaftlicher Mitarbeiter:innen der Goethe-Universität zu den Ereignissen im Rahmen der Räumung der besetzten Dondorf-Druckerei am 12.07.2023
Liebe Studierende, liebe Kolleg:innen,
wir wollen Sie hiermit über Ereignisse, die im Rahmen der Besetzung der Dondorf-Druckerei und dem Protest gegen ihre Räumung in Frankfurt am Main am 12.07.2023 stattgefunden haben, informieren und unsere Bestürzung und Missbilligung ausdrücken, dass die Goethe-Universität abermals friedliche Protestformen mit polizeilicher Repression erwidert.
Am 24. Juni während des "Kulturcampus Open Air Festival" wurde die Dondorf-Druckerei, eine Immobilie der Goethe-Universität in Bockenheim, von Menschen besetzt. Ihre Gründe: (1) eine Weiternutzung des Gebäudes sei klimaverträglicher als dessen Abriss und der Neubau eines Gebäudes für das MPI auf dem Gelände; (2) das Gebäude sei Teil jüdischer Geschichte in Frankfurt und müsse daher nicht zuletzt aus erinnerungspolitischen Motiven erhalten bleiben; und (3) der Raum soll als ein selbstverwalteter Ort und Klimabildungszentrum für Frankfurter:innen nutzbar werden. Die Goethe-Universität duldete die Besetzung zunächst und nahm an einem ersten Verhandlungsgespräch teil. Weitere Gespräche wurden gemeinsam von allen Beteiligten vereinbart. Die Goethe-Universität brach den Dialog jedoch überraschend ab und erstattete unter Berufung auf ihr Hausrecht Anzeige gegen die Besetzer:innen. Infolgedessen wurde die Druckerei am frühen Morgen des 12.07.2023 von der Polizei gewaltsam geräumt.
Am Abend des 12.07.2023 fand eine Demonstration statt, die vom Bockenheimer Campus zur Dondorf Druckerei und durch die Stadt, entlang des Westend Campus führte. Als Demonstrant:innen, darunter auch viele Studierende der Goethe Universität, aus der Demonstration ausscherten und das Campus Gelände betreten wollten, wurden sie gewaltsam von der Polizei davon abgehalten. Die Polizei setzte Knüppel und Pfefferspray gegen sie ein.
Mit Unverständnis und Erschrecken erlebten wir, wie - wenige Monaten nach der gewaltsamen Räumung eines durch Klimaaktivist:innen besetzten Hörsaals - die Polizei die Räumungsanordnungen der Goethe-Universität erneut repressiv durchsetzt.
Entgegen ihrer Selbstdarstellung hat sich die Leitung der Goethe-Universität damit abermals gegen eine dialogische Aushandlung entschieden. Anstatt einen Konflikt - mit nicht zuletzt den eigenen Studierenden - politisch zu führen, wird er in dieser wiederholten Anrufung staatlicher Gewalt mittels Repression zu leugnen versucht.
Als Beschäftigte der Universität haben wir keinerlei Verständnis für ein solches Vorgehen und verurteilen es. Mit Erschrecken bezeugten wir die polizeiliche Gewalt, die gestern Abend zum Einsatz kam.
Wir wollen Ihnen, liebe Studierenden, unsere Solidarität ausdrücken und Ihnen beipflichten, dass die Studierendenschaft bei der Gestaltung der Goethe-Universität mit einbezogen werden muss. Wir sind davon überzeugt, dass die Universität für alle ein Raum ohne polizeiliche Gewalt sein muss und distanzieren uns von den Entscheidungen der Universitätsleitung. Wir wollen Sie, liebe Kolleg:innen, zu einer gemeinsamen Aufarbeitung des Geschehens einladen und einem Dialog darüber anstoßen, was für ein Raum die Goethe-Universität für Studierende und für uns sein soll.
Einige wissenschaftliche Mitarbeiter:innen der FB 03, 04, 08, 10, 11