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Transparent: Kritisches Denken braucht Zeit und Raum

„Kommunisten“ – Filme von Danièle Huillet und Jean-Marie Straub

16.02.2022

Danièle Huillet und Jean-Marie Straub drehten zwischen 1963 und 2006 gemeinsam rund 30 Filme. Als Teile eines kontroversen Oeuvres sind diese Filme berühmt für einen strengen, intellektuell stimulierenden Stil und radikale, kommunistische Ansichten. Das Paar drehte Filme in französischer, italienischer und deutscher Sprache und ist eng assoziiert mit Literaturen des Widerstands: von Hölderlin über Cesare Pavese bis zu Kafka und Brecht. Zu ihren Bemühungen, die Vielen zu erreichen, denen sie ihre Filme schenken wollten, gehörte neben dem Filmgespräch im Kino auch das Schreiben.

In dieser Tradition und anlässlich des Erscheinens der gesammelten „Schriften“ von Danièle Huillet und Jean-Marie Straub im Verlag „Vorwerk 8“ präsentieren wir im Februar gemeinsam mit Tobias Hering ein Programm von Huillets und Straubs Lang-und Kurzfilmen sowie Ausschnitte aus den Schriften.

 

19.02, 19 Uhr

„Der Tod des Empedokles“

1986, 132 min. (4. Fassung)

Einführung: Rembert Hüser, mit Nachgespräch

Festsaal, Studierendenhaus Bockenheim

  

Hölderlins Traum war, dass sein Trauerspiel „Der Tod des Empedokles“ nach der Revolution unter freiem Himmel aufgeführt würde. Doch die Revolution, auf die er hoffte, hat nie stattgefunden und so ist dieser Traum auch 200 Jahre später noch aktuell. Um einen Ort zu finden, der einer Verfilmung von Hölderlins unvollendeter kommunistischer Utopie gerecht wurde, fuhren Danièle Huillet und Jean-Marie Straub über 5000 Kilometer durch Italien. Im Ergebnis ist jede der vier Fassungen des Films eine detailliert choreographierte Schachpartie, in der Kameraperspektive, Auf- und Abgänge, sowie Positionen der Darsteller:innen unzertrennbare Blöcke von unaustauschbarem Bild und Ton bilden: Spannung, Entspannung, Ausatmen, Blick, Bewegung, Windbewegung, Lichtwechsel, Schmetterlinge, Vogelzwitschern, Rabenkrächzen, Windrauschen… nah oder fern.

 

20.02, 18 Uhr

„Paul Cézanne im Gespräch mit Joachim Gasquet“

1986, 63 min. (dt. Fassung)

Einführung: Rembert Hüser, mit Nachgespräch

Festsaal, Studierendenhaus Bockenheim

 

In ihrem ersten Cézanne-Film zitieren Danièle Huillet und Jean-Marie Straub eine auf Erinnerungen basierende Konversation des Schriftstellers Joachim Gasquet mit dem Maler Paul Cèzanne. Begleitet wird der gesprochene Text von einer Bildmontage, die alles beinhaltet, was für Jean-Marie Straub nicht unter „modische Kulturscheiße der Bourgeoisie“ fällt: Philosophie, die Gemälde Cèzannes, Architektur aus dem Dorf, in dem er lebte, und Ausschnitte aus Filmen wie „Madame Bovary“ und „Der Tod des Empedokles“ von Huillet und Straub selbst. Es ist ein Versuch keine Form aufzuzwingen und dadurch die Realität verschwinden zu lassen. Die Zuschauer:innen sollen die Bilder mit den Augen Cézannes sehen, ohne dass sie vorher etwas über Cézanne wissen müssen.

  

20.02., 20 Uhr Kurzfilmprogramm:

„Le rèmouleur (Der Scherenschleifer)“ 2011, 7 min.

„En rachâchant“ 1982, 7 min.

„Europa 2005, 27 Octocre“ 2006, 10 min.

„Corneille – Brecht“ 2009, 27 min.

mit Lesung aus den Schriften von Huillet & Straub

Tobias Hering, Rembert Hüser & Patrick Primavesi

Festsaal, Studierendenhaus Bockenheim

 

Zu den unermüdlichen Bemühungen die „Vielen“ zu erreichen, denen Huillet und Straub ihre Filme schenken wollten, gehörte das Schreiben in Zeitungen und Zeitschriften, Fachpresse, Tagespresse und Flugblättern. So entstand über die Jahre ein vielschichtiger Kommentar, der das Verständnis ihrer Filme, Arbeitsweisen und der zugrunde liegenden Haltung nachhaltig bereichert. Die „Schriften“ versammeln erstmals in deutscher Sprache alle Texte von Huillet und Straub, die sie für eine Veröffentlichung verfasst haben. Anhand von ausgewählten Textstellen und eines von Tobias Hering kuratierten Programms von Kurzfilmen diskutieren wir mit Patrick Primavesi und Rembert Hüser die politischen Ansichten Huillets und Straubs im Hinblick auf ihre Praxis des Offenhaltens, des Insistierens, der Wiederaufnahme und des Wiederholens von Teilen ihrer Filme in neuen Filmen.

 

22.02, 19 Uhr

„Kommunisten“

2014, 70 min.

Einführung: Daniel Fairfax

Festsaal, Studierendenhaus Bockenheim

 

Kommunisten ist der ideale Film, um zu sehen, wie Straub selber den "Kommunismus" seiner früheren Filme interpretiert, welche historischen und thematischen Variationen ins Spiel kommen, was für eine Art des Kommunismus in der Filmarbeit, der Behandlung der einzelnen Elemente Bild, Ton, Personen liegt und wie "egalitär" die Einheiten aus den einzelnen Filmen in der Montage behandelt werden. Es lässt sich fragen, ob Huillet und Straub ihren eigenen Ansprüchen gerecht werden konnten, keinen Schaden anzurichten: zu zeigen, dass der Kapitalismus sich keineswegs aus einem Naturgesetz ergibt. Das er nichts Normales ist und dass dieser Planet anders sein kann und muss. So dass die Zuschauer:innen dahin kommen, zu begreifen, auf welcher Seite sie stehen wollen.